09-10-08

S/Y VAGANT Ursel + Friedel Klee

Kurzbericht

Friedel Klee mit Sextant

Die VAGANT an Kap Hoorn

Nun sind wir schon 4 Wochen unterwegs, und mancher wird sich besorgt fragen, wo die beiden Klee's denn jetzt wohl stecken mögen. dass wir hier sind, wird beruhigen und enttäuschen zugleich; schließlich wollten wir uns jetzt eigentlich schon längst auf den Kanarischen Inseln in der Sonne aalen. Es kam aber eben vieles ganz anders, als gedacht.

Unseren Aufbruch auf Anfang Oktober zu verschieben, war leichtfertig. Ein schwerer Fehler, für den wir jetzt bezahlen müssen. Die Biscaya zeigte sich von ihrer schlimmsten Seite. Bei unseren Planungen hatten wir eigentlich nur die Gefahren des Kanals ernsthaft berücksichtigt und gehofft, die Biscaya in einem weiten Schlag nach Westen in den Atlantik umsegeln zu können, so wie es Segelschiffe von je her taten.

Wir segelten also am 2.10. von Boulogne los und gelangten mit sehr wechselhaftem Wetter - sogar ein Tag Flaute unter Motor war dabei in Etappen über Cherbourg bis L´AberWrac'H. Das ist eine Flussmündung an der Nordküste der Bretagne, über Land 26 km von Brest entfernt. Brest selbst kam nicht infrage, denn über See liegt es "um die Ecke", an dem seit je gefürchteten Bereich der Insel Quessant (engl. Ushant) vorbei. Zur gleichen Gegend gehören auch die Isles des Saintes, an denen während unserer Orkan-Wartewoche ein DDR-Schiff scheiterte.

Im zweifelhaften Schutz vorgelagerter Klippen, lagen wir dann bis zum 17.10., gebeutelt vom Strom und Wind in Orkanstärke. Am 17. stieg das Barometer wieder einmal und im Radio blieb die stereotype Sturmwarnung für die Biscaya aus. Nur 6-7. So liefen wir aus. Rein in die nächsten Sturmperioden, von denen uns der Flugplatz-Wetterdienst Le Conquet bei Brest trotz ausführlicher Sonderberatung vorher auch nicht sagen konnte. Wir knüppelten uns frei von Land erst mal nach West - Südwest. Der Morgen-"Shipping-Report" der BBC, kündete dann wieder Windstärken bis 9 an. Und so kam es dann auch. Bis zum 20. mussten wir uns damit auseinandersetzen. Erstes, zweites, drittes Reff, Fock, Sturmfock, beidrehen mit und ohne Segel, wildes Bolzen gegenan, mühsames Greifen jedes Kompassgrades Höhe nach Westen, Wassereinbruch, Pumpen, Ausfall aller Radios, keine Funkortung, keine Sonne für die Navigation, zwischendurch Sumlog unbemerkt ausgefallen. Am 21. hatte unser kleines Handfunkpeilgerät "Seafix" ein Einsehen und lieferte uns endlich ein paar brauchbare Peilungen. Am Vormittag des 22.10. konnten wir dann endlich ein einer kleinen Bucht an Spanien's Nordküste einigermaßen geschützt ankern.

Wir standen besser a1s gefürchtet, aber immer noch ein gutes Stück in der Biscaya. So segelten wir in kurzen Sprüngen zwischen Böen und echten Stürmen weiter nach Westen, eine gigantische Felsenküste entlang. ,Seegang und Dünung waren noch immer gewaltig.

In einem kleinen Fischerhafen gerieten wir dadurch in ernste Schwierigkeiten. Wirklich geschützt ist hier keine noch so verzweigte Bucht. So gerieten wir beim Bergen eines unklar gekommenen Ankers (bei 3 von 4 Ankermanövern bekamen wir das Eisen nur mit Tricks wieder hoch) mit einem Fischkutter zusammen: 3 Relingsstützen verbogen, 1 Relingsstütze ",abgebrochen, Bugkorb stark verbogen, Schrammen an der Außenhaut, Leine im Propeller (freigetaucht). ­

Die nächste Etappe führte uns nach hier: Wir reparieren fleißig und versuchen während der Sturm- und Regenpausen unsere Sachen zu trocknen. In der letzten Nacht mussten wir bei satten 9 wieder einmal unseren Liegeplatz ändern, weil wir dort, wo wir waren,

in Schwierigkeiten zu geraten drohten, denn auch der recht große Hafen dieser Stadt ist nicht vollkommen sicher.

Cabo Finisterre, die Westecke der Biscaya, das wir bislang nur als beiläufig zu passierenden Punkt angesehen hatten, ist unser nächstes, ernst zu nehmendes Ziel. Etwas weiter südlich können wir dann endlich mit günstigerem Wetter rechnen.

Alle, mit denen wir bisher über das Wetter sprachen, Fischer, Ortsansässige in Frankreich wie in Spanien, sagten übereinstimmend, dass solches Wetter für diese Jahreszeit zwar nicht ungewöhnlich sei, ganz außergewöhnlich jedoch dessen Härte, Dauer und früher Beginn in diesem Jahr. So müssen wir wohl warten, bis es kälter und ruhiger wird.

Bleibt die Frage, ob denn gar nichts Positives zu berichten ist. An erster Stelle gewiss, dass unser Vertrauen zum Schiff während dieser schweren Zeit nur gestiegen ist. Wir haben schlechtes Wetter von einer Härte und Dauer erlebt, wie nie zuvor. Gesteuert von der hervorragenden Selbststeueranlage '“Schwing-Pilot", brauchten wir kaum einmal an Deck, das während der Perioden stärksten Windes (in Böen bis 26 m/s gemessen) fast ständig überwaschen war. Mehrfach deckten uns richtige Brecher ein, die Vagant fast auf die Seite legten, durch die durchsichtigen Deckslukendeckel konnten wir manchmal grünes Wasser sehen. Vagant blieb bei alledem noch immer verhältnismäßig ruhig. Ich weiß nicht, wie ich das anders und genauer ausdrücken soll. Das Schiff ruckte nicht, knallte kaum, sondern setzte sehr weich ein, beigedreht. Aber auch beim Segeln konnten wir oft stundenlang schlafen. Auch warmes Essen kam immer in die Becher (auf den Tisch, wäre ein bisschen zuviel verlangt gewesen) auch bei sehr grobem Seegang lief das Boot noch immer hervorragend Höhe, mit der die Leeküsten viel von ihrem Schrecken verlieren.

All dies sagen wir wirklich unabhängig von unserer Dehler-Verbundenheit, denn dafür können wir uns hier und jetzt nichts kaufen. Das sei's für heute. Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir nicht jeden einzelnen anschreiben, denn dafür haben wir einfach weder Zeit noch Ruhe, denn unser Boot fordert auch im Hafen sein Recht. Durch den - wenn auch etwas anonymen - Umweg über Dehler Yachtbau, können wir aber immerhin etwas ausführlicher berichten.

Unsere nächste Anschrift muss nach wie vor S/Y VAGANT, Poste Cestante, Puerto Cruz, Gran Canaria, bleiben, denn unsere nächsten Zwischenstationen können wir noch nicht absehen. Es möge sich aber niemand Sorgen machen. 

Unsere Ohren und die des Schiffes - sind ziemlich steif.

gez. Ursel + Friedel Klee.